Juanjo Arqués stellt seine erste Choreographie für Düsseldorf vor

„Spectrum“

Am 15. Oktober wird es den zweiten Premierenabend – oder ist es dann schon der vierte? – für Demis Volpi geben. Der Titel des Abends „Far and near are all around“ bezieht sich zwar zunächst auf die Uraufführung der gleichnamigen Volpi-Choreographie mit Musik von Caroline Shaw, steht aber thematisch auch für die zweite Uraufführung an diesem Abend:

„Spectrum“ von Juanjo Arqués.

Am 02. Oktober hatten die Ballettfreunde exklusiv die Möglichkeit, an einer Arbeitsprobe von Juanjo Arqués teilzunehmen und ihn anschließend in einem Gespräch mit dem Dramaturgen Maurice Lenhard näher kennenzulernen und auch zu befragen.

Juanjo Arqués stammt aus Spanien, wurde in Madrid zum Tänzer ausgebildet und kam über Engagements in Madrid (Ballett Victor Ullate) und London (English National Ballet) schließlich 2004 nach Amsterdam zum Niederländischen National Ballett. Dort arbeitete er bis 2012 als Solotänzer und entschied sich dann für eine Karriere als Choreograph. 2016 wurde er zum „Young creative associate“ für „Het Nationale“ ernannt. Sein Werk „Ignite“ wurde 2019 für den Prix Benois de la dance nominiert.

Er kreierte aber bisher nicht nur für das Niederländische National Ballett, sondern auch für das Birmingham Royal Ballet, das Theatre Ballet Moscow, die Compania Nacional de Danza in Spanien und viele andere Kompanien. Demis Volpi und er lernten sich vor drei Jahren in Dortmund bei der Arbeit zu „Mord im Orient-Express“ kennen und blieben in Kontakt. Und so ergab sich nun für ihn die Möglichkeit, für das Ballett am Rhein ein eigenes Werk zu schaffen.

In der Choreographie „Spectrum“ geht es um die soziale Isolation des Menschen; um die Absurdität, dass wir in Zeiten immer dichterer Kommunikation und medialer Vernetzung Kontaktschwierigkeiten untereinander haben, dass wir in einem „Zeitalter der Einsamkeit“ leben.

Diese Entwicklung hat sich in Zeiten der Corona-Krise noch verstärkt. Der Lockdown, die Schließung von Kulturstätten, Kinos, Restaurants, Clubs und Discos und die Aufforderung zu sozialer Distanz führen zu noch stärkerer Vereinsamung. Juanjo Arqués berichtete, dass in seinem Bekanntenkreis eine Person in Tränen ausgebrochen sei, als sie beim Friseur nach langer Zeit der Kontaktlosigkeit zum ersten Mal wieder eine menschliche Berührung spürte. Ein emotionaler Augenblick, den er – künstlerisch umgesetzt - in seine Choreographie übernommen hat.

Diese erzwungene Entfremdung ist nicht nur die Idee, die dem Werk zugrunde liegt, sondern auch Realität in der Arbeit mit der Compagnie in Düsseldorf. Juanjo Arqués hatte keine Möglichkeit, Tänzer für seine Choreographie zu casten, sondern ihm wurde einer der sechs Klein-Compagnien für die Realisierung zugewiesen. Mit dem Risiko, aber auch der großen Chance, mit sehr diversen Tänzerinnen und Tänzern arbeiten zu müssen. Neben den jungen, gerade von der Ballettausbildung kommenden Mitgliedern der Compagnie gibt es natürlich auch die durch viele Berufsjahre bereits erfahrenen Tänzerinnen und Tänzer.

Juanjo Arqués schilderte, wie seine Arbeit bei den Proben differenzieren muss, ob etwa ein junger Tänzer sich zunächst bemüht, nur die Bewegungen korrekt zu tanzen oder ob ein erfahrener Tänzer in die Bewegungen gleich die richtigen Emotionen hineinlegen kann. Insoweit war die Probenarbeit auch für ihn eine Herausforderung und eine wichtige Erfahrung.

Eine weitere Vorgabe für die Choreographie war das schlichte, aber für einen Künstler, der für die Gestaltung seiner pas-des-deux gerühmt wird, eigentlich undenkbare Gebot, dass die Tänzer auf der Bühne miteinander keinen Kontakt haben dürfen. Nur ein Paar aus der Klein-Compagnie lebt in einem gemeinsamen Haushalt und darf sich berühren.

Und so schuf Juanjo Arqués eine Choreographie, in der die Tänzer mit sich selbst beschäftigt sind, mit ihrer Frustration, ihrem Schmerz, ihrer Verzweiflung und Einsamkeit. Erst gegen Ende des Werks wagen zwei sich fremde Personen, einander zu berühren. Es ist eine sehr vorsichtige, fragile erste Berührung, die sich dann zunehmend steigert.

Der Moment der ersten vorsichtigen Berührung.

Die Ballettfreunde konnten eine Probe für diese emotionale Passage genießen. Feline van Dijken und Eric White tanzten die Szene zunächst mit der Musik von Marc Mellits und danach probte der Choreograph mit ihnen einzelne Bewegungsabschnitte sehr intensiv. Den Abschluss der Probe bildete dann ein erneuter Durchlauf mit Musik.
Für Feline und Eric gab es kräftigen Applaus, auch vom Choreographen.

Juanjo Arqués hat sein Werk „Spectrum“ genannt, weil die acht Tänzer-innen jeweils Kostüme in unterschiedlichen Farben tragen, die sie voneinander abgrenzen, die aber gemeinsam ein Farbspektrum ergeben.
Und – fügte er hinzu – „weil das auf Deutsch so schön klingt“.

Text: Axel Weiss, Fotos: Erich Kutzera