Premiere am 24. März in Duisburg

Shortcuts

Die nächste Ballett-Premiere steht für den 24. März in Duisburg an. Der Abend trägt den Titel „Shortcuts“ und zeigt fünf kurze Choreographien. Wie es in der Ankündigung der Oper am Rhein heißt:

„Stücke, von denen keines länger als 15 Minuten dauert und die eine jeweils in sich geschlossene Arbeit darstellen. Kurz und bündig, pointiert und mutig.“

Schon am 20. März besteht die Möglichkeit, im Opernfoyer des Theater Duisburg an einer Ballettwerkstatt teilzunehmen. Beginn ist 18:00 Uhr. In einem Podiumsgespräch werden Mitwirkende über die Chereographien reden. Anschließend ist der Besuch einer Bühnenprobe geplant.

Eröffnet wird der Ballettabend von Hans van Manens Choreographie „Short Cut“ aus dem Jahr 1999.

Als Uraufführung schließt sich „Eine kleine Frau“ von Neshama Nashman an. Neshama ist seit 2020/2021 Tänzerin in der Compagnie und hat bereits im Projekt „Step by Step“ eine eigene Choreograpie auf kleinerer Bühne aufgeführt. Nun folgt der Sprung auf die große Bühne in einem Programm mit großen Namen.

Als weitere Uraufführung ist Bridget Breiners „North Country“ zu sehen. Bridget Breiner ist Ballettdirektorin und Chefchoreographin am Staatstheater Karlsruhe. Die Musik für die Choreographie stammt von Pete Seeger, Ian & Sylvia, Johnny Cash und Bob Dylan, ist also ur-amerikanische Folkmusik.

Demis Volpi hat für den Abend seine Choreographie „Ebony Concerto“ beigesteuert. Ein Stück, das er 2015 für das Dortmunder Ballett nach der Musik von Strawinsky geschaffen hat.
Ein Pas-de-deux „voller Humor und zeitloser Spritzigkeit“ (Oper am Rhein).

In der Pause zwischen den Stücken besteht die Möglichkeit, die Arbeit einer weiteren in der Compagnie aktiven Tänzerin zu sehen. Virginia Segarra Vidals installative Choreographie „Parallel Bodies“ setzt sich mit der Beziehung zwischen Raum, Körper und Skulptur auseinander.

Der Abend endet mit einem zweiten Klassiker des Balletts: William Forsythes „Artifacts II“ aus dem Jahr 1984.

Die Ballettfreunde hatten bereits am 1. März die exklusive Gelegenheit, im Balletthaus in Düsseldorf einer Arbeitsprobe zu „Artifacts II“ zuzuschauen, die von Kathryn Bennetts geleitet wurde.

Die Australierin Kathryn Bennetts hat nach ihrer Ausbildung zur Balletttänzerin u.a neun Jahre in Stuttgart in der dortigen Compagnie getanzt. Nach einer Verletzung arbeitete sie als Ballettmeisterin in Stuttgart und lehrte dort an der John Cranko School. Seit 1989 arbeitete sie in Frankfurt als Assistentin von William Forsythe.
Sie studiert heute – zusammen mit anderen ehemaligen TänzerInnen und BallettmeisterInnen von Forsythe – weltweil dessen Werke ein.

Geprobt wurden die Gruppenszenen zu den dann in der Aufführung gleichzeitig zu sehenden Pas-de-deux. So gibt etwa eine Frau (Mud Woman genannt) Hand- und Armbewegungen vor, die von der Gruppe ausgeführt werden müssen. Die Gruppe folgt sklavisch den Vorgaben.

Kathryn Bennetts forderte immer wieder eine strenge Präzision in den Abläufen ein. Nichts sei schlimmer bei der Aufführung, so sagte sie, als wenn ein Mitglied der Gruppe buchstäblich „aus der Reihe“ tanze.

Dramaturgin Julia Schinke bat nach der Arbeitsprobe Kathryn Bennetts zu einem Gespräch über ihre Arbeit und über “Artifacts II“.

Die Choreographie stammt von 1984 und wurde in Frankfurt uraufgeführt. Es gibt drei Versionen des Werks für die Bühnenaufführung. Zum einen das abendfüllende „Artifacts“, in dem auch drei SprecherInnen auftreten, dann die „Artifacts Suite“, die nur die Tanzszenen enthält und letztlich wird der zweite Teil der Choreographie als „Artifacts II“ selbstständig aufgeführt.

Kathryn Bennetts schilderte, dass sie zwar schon „Artifacts“ und die „Artifacts Suite“ mehrfach einstudiert habe, aber noch nie „Artifacts II“.

„Es ist schön „Artifacts II“ zu machen, weil ich mir Zeit nehmen kann, die Pas-de-deux fantastisch zu gestalten. Die sind sehr speziell. Man muss eine bestimmte Art von Partnering schaffen. Das ist riskant und man muss sehr genau sein, was das Timing und die Schritte angeht. Normalerweise macht man die Pas-de-deux zusammen mit den anderen Abläufen von „Artifacts“. „Artifacts II“ ist erfrischend, weil ich mich quasi nur auf die Pas-de-deux konzentrieren kann.“

Wie studiert man ein Stück ein, das man nicht selbst choreografiert hat? Reicht da ein Video einer Aufführung?

„Ich kenne Bill (William Forsythe) seit fast fünzig Jahren. Wir haben zusammen getanzt und ich war 16 Jahre seine Assistentin in Frankfurt. Er hat volles Vertrauen zu mir, weil ich immer dabei war. Beim Tanz kann sehr viel kaputt gehen, wenn es ungefähr so aussieht, wie es sein soll, aber doch nicht richtig ist. Man also muss wissen, woher die Ideen kommen und warum so choreografiert worden ist. Es gibt überall in der Welt etwa 10 Menschen, die Stücke von Forsythe einstudieren. Man muss spezielle Kenntnisse haben. Das ist nicht erlernbar über ein Video.“

Es gibt mehrere Pas-de-deux und die Gruppe. Welche Funktion hat die Gruppe?

„Bill erklärt den Tänzern nicht viel. Mein Gefühl war immer, dass es in diesem Stückes um Macht geht. Die Mud Woman könnte eine Königin, eine Politikerin oder etwas Furchtbares sein. Alle folgen ihr und man fragt sich: warum? Sie zeigt Stärke und die Gruppe geht total mit. Es ist eine Masse von Leuten, auf der Bühne sind es 40, die genau das tun, was die Mud Woman ihnen vorgibt. Sie kommen auf der Bühne von hinten nach vorne und ich habe immer gedacht, es ist ein Kommentar zum Faschismus. Ich weiß aber nicht, ob Bill das so gemeint hat. Mud Woman hat die Macht und die Gruppe folgt ihr. Das ist meine Interpretation.“

„Die Bewegungen der Mud Woman sind vorgegeben. Die Abfolge der Bewegungen ist aber nur teilweise fest vorgegeben und teilweise variabel und soll jeden Abend anders sein. Die Gruppe muss sich also sehr konzentrieren, um dem zu folgen.“

Licht und Vorhang spielen eine große Rolle bei „Artifacts II“. Während des Stücks kommt immer mal wieder der Vorhang herunter und die Zuschauer sehen nicht, was dann auf der Bühne geschieht. Wie fühlt es sich für die TänzerInnen an, wenn der Vorhang herunter ist, sie aber dennoch nicht entspannen können?

„Für die TänzerInnen ist es eigentlich einfacher, weil sie bestimmte Aufgaben haben, wenn der Vorhang gefallen ist. Ich habe Bill mal danach gefragt und er sagte, dass er den Eindruck erzeugen will, dass kurze Bilder zu sehen sind. Bild, Vorhang, neues Bild, Vorhang, neues Bild. Das ist so gedacht. Manchmal lacht das Publikum, weil es überrascht ist, dass der Vorhang herunter geht. Die Zuschauer denken, es sei etwas nicht in Ordnung.“

Wenn man Forsythe einstudiert oder tanzt, gibt es da immer etwas Neues?

„Ich glaube, Forsythe überhaupt zu tanzen ist eine Herausforderung. Es ist technisch sehr schwer, es ist viel Risiko dabei. Besonder für die Tänzerinnen auf Spitze ist es sehr riskant. Man muss sich voll konzentrieren, sonst funktioniert das nicht. Bei diesem Risikoniveau muss man aber auch akzeptieren, dass etwas nicht ganz so läuft wie geplant. Deshalb kann jede Aufführung anders sein. Es ist – wie wir auf Englisch sagen – „on the edge“, also so dicht an der Kante, dass es umkippen kann.“

Warum ist „Artifacts II“ zeitlos?

„Weil es gut ist. Für mich gibt es zwei Arten von Tanz: gut und schlecht. Nicht klassisch oder contemporary. Wenn etwas wirklich gut gemacht ist, wird es automatisch zum Klassiker. Das Stück ist brilliant. Bill hat mir erzählt, dass er die Choreographie geschaffen hat als sein erstes Stück als Direktor in Frankfurt. Als er angekommen ist, wurde ihm gesagt, es sei kein Geld da. Man könne nichts ausgeben für Kostüme oder Bühnenbilder. Deswegen hat er das Licht als Bühnenbild eingesetzt. Die TänzerInnen hatten ganz einfache Trikots, die nicht teuer waren. Und dabei ist etwas Tolles herausgekommen. Deswegen ist es ein Klassiker geworden.“

Text und Textbearbeitung: Axel Weiss; Fotos: Renate Weber-Zangrandi (1), Anne Ackers-Weiss (2)